hartes pflaster
wer hat sich schon die knie aufgeschlagen
auf dem harten pflaster immer wieder
so dass die wunden kaum heilen auf dem harten pflaster
von dem sich die meisten abwenden mit ekel
und lieber aus der ferne reden über dinge
die eigentlich
abstoßend sind
der gestank
aus toiletten ohne spülung
mit undichten fenstern
an denen im winter
eissterne blinzeln über dem
harten pflaster
wo kein bagger und auch kein bohrer
die steine neu schichten
für den absprung auf ein anderes pflaster
wo menschen authentisch sich äußern vor vielen
die glauben sie hätten verstanden
die aber nur kurz etwas gehört
und erröten
vor erregung bei nur einem gedanken
an das harte pflaster
an die beine
die dieses begehen
weil mehr ist nicht vorstellbar
im beredten schweigen
sich äußern im gleichsprech
da kriege ich angst
so richtig fest angst
oder dass ein kind sich halten kann an einer
behütenden hand und lachen kann auf dem
harten pflaster
ist nicht denkbar
und der kaffee im pappbecher jedes mal viel zu heiß
das liegt am harten pflaster
das hart bleiben soll
denn sonst wären wir viel zu viele
bekämen nicht genug luft
die wir brauchen um weiter zu schweigen
im gleichsprech
beim reden über den kaputten kühlschrank
vor jahren in der WG ohne heizung
in der wir uns alle
unter zwei decken aneinander kuschelten
und berührten
um uns warm zu halten
ja, wir wissen, wie das ist und vergessen das
geld der familie, das wir verachtend ausgaben
denn irgendwas mussten wir essen und denken
auch heute nicht daran, an das gras, das wir unter der
decke zwischen den berührungen wickelten
es war nicht vom himmel gefallen
der uns so nah erschien mit den indigoblauen
wolken der nacht, unter dem unsere körper
bebten manchmal in den berührungen
im gleichsprech den wir nicht mehr erkannten
weit weg vom harten pflaster
und jetzt die kinder alleine den ganzen tag
durch das fenster spucken
auf das harte pflaster
wo sind sie denn
was machen sie
fragt sich selten jemand im gleichsprech
was machen sie den ganzen tag
verloren haben wir sie
im gleichschritt des gleichsprechs
Vlatka Frketić is an author, writer and activist, who works in adult education as well as in the psychosocial and literary fields. She studied economics in Zagreb and linguistics in Vienna. In lectures, seminars, and in her artistic work she addresses social inequalities, discrimination, multilingualism, and power from a critical, discourse-analytical perspective. Her work is also present in the field of visual arts: 2017 she contributed to the participatory exhibition project Versuchsanordnung widerspenstigen Handelns (Experimental arrangement of unruly action) organized by IG Bildende Kunst Wien. 2019 she was Kültür-Gemma Scholar; in this context she developed a “word-project against homogenizing speach”, initiating collective processes to “empoweringly work through, articulate, and reshape experiences with racism and other forms of discrimination with text, word and image”. (widerdengleichsprech.com) 2019 she received the Exil literary price. Frketić is a member of the authors’ workshop of edition Exil.
Her contribution for the Thirsty for Words series is a poem revolving around the phrase “Hartes Pflaster”, which could be translated as hard cobble or pavement, thereby calling up memories of hurting one’s knees when falling. However, another translation of the German “Pflaster” is “band-aid”, which by mischance in this case is too “hard” to be put on the wound. This image of something hard invariably covering up or repelling precarious and therefore vulnerable realities of life – and languages – functions as a metaphor for “gleichsprech” = “leveling speak”, or a language that homogenizes and by this sets up a tacit barrier against non-normative forms of speaking.
On October 1, 2020 Vlakta Frketić is guest of the conversation series Touching the Elephant: Practices and Politics of Social Distanc_ing.